Elektrosicherheit in Ausbildungsstätten der Elektroberufe

Im Gegensatz zu Experimentiereinrichtungen in den Sekundarschulen, wo grundsätzlich nur elektrische Betriebsmittel mit vollständigem Berührungsschutz Anwendung finden, ergeben sich bezüglich der Elektrosicherheit in den Ausbildungsstätten der Elektroberufe je nach Lehrziel andere Situationen.

Elektrosicherheit in Ausbildungsstätten der Elektroberufe

Auf Grund der hier verwendeten Versuchsaufbauten und den Geräteanordnungen kann hier ein vollständiger Berührungsschutz nicht immer sicher gestellt werden. Es besteht somit eine erhöhte elektrische Gefährdung, wenn mit berührungsgefährlicher Spannung experimentiert wird. Um dennoch eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten, sind entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen.

Für die ortsfeste Anlage sind grundsätzlich die allgemeinen Errichtungsbestimmungen der Normenreihe DIN VDE 0100 "Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V" sowie die Zusatzfestlegungen gemäß DIN VDE 0100 Teil 723 "Unterrichtsräume mit Experimentierständen" anzuwenden. Hier werden detailliert Schutzmaßnahmen gegen direktes und indirektes Berühren von aktiven Teilen gefordert.

Schutzmaßnahmen

Der Schutz gegen elektrischen Schlag soll vorzugsweise durch Schutzkleinspannung (SELF) oder Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung (PELF) vorgesehen werden. Neben dem Schutz durch Isolierung von aktiven Teilen ist ein zusätzlicher Schutz durch den Einsatz einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom von £ 30 mA erforderlich. Alle im Handbereich eines Experimentierplatzes befindlichen leitfähigen Teile sind mit einem Potenzialausgleichsleiter untereinander und mit dem Schutzleiter der Stromversorgung an einer zentralen Stelle, beispielsweise in der Elektroverteilung oder über eine Potenzialausgleichsschiene, zu verbinden. Der Querschnitt muss mindestens 4 mm² (Kupfer) betragen. Außerhalb von Experimentierplätzen befindliche Steckdosen, die zum Üben bzw. zum Experimentieren vorgesehen sind, müssen entsprechend gekennzeichnet werden.

Für Notfallsituationen sind Not-Aus-Betätigungseinrichtungen an den Ausgängen und an jedem Experimentierstand vorzusehen. Damit müssen alle Stromkreise an Experimentiereinrichtungen eines Raumes zugleich getrennt werden können.

Alle nicht geerdeten Leiter sämtlicher Stromkreise eines Raumes müssen durch ein zentrales Schaltgerät allpolig getrennt werden können. Dabei kann die Zuschaltung einzeln, gruppenweise oder zentral erfolgen. Bei einer zentralen Zuschaltung ist darauf zu achten, dass alle Arbeitsplätze vom Schaltort aus gut einsehbar sind. Der Hauptschalter muss sich gegen unbefugtes und unbeabsichtigtes Schalten sichern lassen. Der Schaltzustand ist durch eine Signallampe kenntlich zu machen.

Fußböden sollten isolierend ausgeführt sein bzw. im Bereich der Experimentierplätze Isoliermatten gem. VDE 0680 Teil 1 "Körperschutzmittel, Schutzvorrichtungen und Geräte zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen bis 1000 V - Isolierende Körperschutzmittel und Isolierende Schutzvorrichtungen" ausgelegt werden. Der Isolierwiderstand des Bodens darf 50 kW nicht unterschreiten. Elektrostatisch ableitfähige, antistatische Böden sollten einen Widerstand von 100 MW nicht überschreiten. Die Arbeitsplatten der Tische für Versuchs- und Übungsaufbauten sollen aus nichtleitenden Materialien bestehen.

Ist nicht auszuschließen, dass Spannungen unter 25 V AC (Wechselspannung) oder 60 V DC (Gleichspannung) verwendet werden, sind einpolige Anschlussstellen (Laborbuchsen) und Stecker berührungssicher auszuführen. Die sogenannten "Bananenstecker" und "Krokodilklemmen" an einpoligen Experimentierleitungen sind gegen fingersichere Verbindungen im Sinne der Norm VDE 0660 Teil 514 "Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen - Schutz gegen elektrischen Schlag, Schutz gegen unabsichtliches direktes Berühren gefährlicher aktiver Teile" auszutauschen.

Im Wesentlichen sind beim Experimentieren mit elektrischer Energie in Praktikumsräumen Festlegungen aus den elektrotechnischen Regeln der

  • VDE 0105 Teil 100 " Betrieb von elektrischen Anlagen - Allgemeine Festlegungen",
  • VDE 0105 Teil 12 " Betrieb von Starkstromanlagen; Besondere Festlegungen für das Experimentieren mit elektrischer Energie in Unterrichtsräumen",
  • VDE 0104 "Errichten und Betreiben elektrischer Prüfanlagen"

zu beachten. Gemäß §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz sind für Elektro-Ausbildungsstätten mit Experimentiereinrichtungen eine Gefährdungsbeurteilung durch den Verantwortlichen durchzuführen.

Das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen der Experimentiereinrichtung ist grundsätzlich verboten! Es sind die fünf Sicherheitsregeln zu beachten.

Unterweisungen

Über das sicherheitsgerechte Verhalten bei der Verrichtung elektrotechnischer Arbeiten und über die Gefahren des elektrischen Stroms sind vor den ersten Übungen Unterweisungen durchzuführen. Die Unterweisungen sind zu dokumentieren und durch die Anwesenden schriftlich zu bestätigen. Schwerpunkt sollten hier die zu treffenden Maßnahmen im Gefahrfall sowie die Anordnung und Wirkungsweise von Not- Aus- Einrichtungen sein.

Große Gefahren können von Mess- und Prüfgeräten ausgehen da sie in der Regel unter Spannung benutzt werden. Speziell beim Einsatz von Multimetern sind auf Grund der Messbereichsvielfalt Fehlhandlungen möglich. Bei falscher Messbereichsauswahl, z. B. Spannungsmessung im Strommessbereich, können Kurzschlussströme in der Größenordnung bis ca. 10 kA auftreten (Lichtbogenbildung). Deshalb ist vor dem Einschalten der Spannungsversorgung grundsätzlich auf den richtigen Messbereich zu achten. Fest angeschlossene Messleitungen sind im spannungsfreien Zustand ab- oder anzuklemmen (Prüfspitzen und Strommesszangen bilden eine Ausnahme).

Die Freischaltung der Stromkreise und Inbetriebnahme der Experimentiertische mit entsprechenden Aufbauten darf erst erfolgen, wenn keine Gefährdungen bestehen und eine Überprüfung durch den Ausbilder stattgefunden hat. Gegebenenfalls sind weitere technische, organisatorische oder persönliche Sicherheitsmaßnahmen festzulegen und durchzuführen.

Zu der vor jeder Benutzung durchzuführenden Sichtprüfung sind in regelmäßigen Abständen die elektrischen Anlagen, die ortsfesten Betriebsmittel sowie die ortsveränderlichen elektrischen Betriebsmittel einer Prüfung gemäß § 5 UVV "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" (GUV-V A3) und VDE 0104 "Errichten und Betreiben elektrischer Prüfanlagen" zu unterziehen. Die Prüfungen sind durch eine Elektrofachkraft durchzuführen und entsprechend zu dokumentieren. Vorhandene Not-Aus-Einrichtungen, Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen und andere sicherheitsrelevante Einrichtungen sind arbeitstäglich auf ihre Funktion zu überprüfen.

(aus "Sicherheitsforum" 1-2006)