Infektionsgefahren durch Piercing und Tattoo

Vor allem bei jungen Leuten sind Piercen und Tätowieren sehr beliebt. Beides sind keine neuen Formen von Körperschmuck. Sie haben in verschiedenen geographischen Bereichen lange Tradition und sind auch bei uns zur Modeerscheinung geworden. Doch nur wenige kennen die gesundheitlichen Gefahren und erheblichen sonstigen Risiken. Diese Informationen sind aber notwendig, um sich nicht blauäugig unnötigen Gefährdungen auszusetzen.

Stechen eines Piercings

Unter Piercing versteht man das Durchstechen von Körperteilen wie Ohrläppchen, Zunge, Lippen u.a. mit Schmuckstücken. Beim Tätowieren handelt es sich um das Einbringen von Farbstoffen in die Lederhaut mittels Nadeln. Beide Verfahren sind nicht immer so harmlos, wie sie gelegentlich dargestellt werden. Insbesondere beim Piercing handelt es sich ja um einen Eingriff, bei dem unter Verletzung der intakten Haut ein Fremdkörper in die Haut und das darunter liegende Gewebe eingebracht wird, der dort verbleiben soll. Dabei gibt es Abstufungen vom relativ harmlosen Durchstechen des Ohrläppchens bis zu riskanten Körperpiercings. Dieses erhöhte Risiko gibt es auch bei den exotischen Abkömmlingen des Piercing wie dem Stapling, Branding oder der Implantation von Fremdmaterial unter Haut oder Schleimhaut.

Sowohl durch den Vorgang des Piercens selbst, als auch die Anwesenheit eines Metallfremdkörpers im Gewebe oder aber durch mangelhafte Sterilität können sich Komplikationen ergeben. Mit der jeweiligen Verletzung der Haut durch Nadeln entstehen Eintrittspforten für Krankheitserreger, die u.U. längere Zeit geöffnet bleiben. Dann besteht Infektionsgefahr durch besonders gefährliche Erreger wie Hepatitis B-, Hepatitis C- oder HIV- Viren. Die Gefahr besteht insbesondere dann, wenn beim Piercing nicht strengste sterile Bedingungen herrschen. Dies erscheint bei einer Vielzahl von Tattoo- und Piercingstudios zumindest fraglich. Entsprechende Angebote im Umfeld von irgendwelchen Messen, auf Hinterhöfen, in Discos o.ä., können dies auf keinen Fall garantieren.

Hinzu kommt, dass Piercing- und Tattoostudios zum Teil von Personen betrieben werden, die über keine oder nur sehr geringe medizinische Kenntnisse verfügen. Für das Betreiben reicht im Grunde ein Gewerbeschein aus. Gesundheitsämter überprüfen teilweise die Sauberkeit, nicht aber die Qualität der Piercer. Weitgehend unbekannt ist vermutlich der "endlos lange Komplikationskatalog? von lokalisierten Infektionen, entzündlichen Granulomen, Nervenlähmungen und irreversiblen Narbenbildungen, neben den bereits genannten gefährlichen Infektionen. Das Ohrpiercing scheint besonders komplikationsträchtig zu sein und auch beim Bauchnabelpiercing treten häufig lokale Infektionen auf, die z.T. auf die starken Dehnungen der Haut an dieser Stelle zurückzuführen sind. Eine Studie in den USA hat bei Tätowierten festgestellt, dass diese neunmal so häufig mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert waren, wie Menschen, die auf diesen Bilderschmuck verzichten. Je größer und bunter die Tattos sind, desto höher das Risiko für eine Leberentzündung. Infektionsursache ist die häufig mangelhafte Hygiene in den Tätowierstudios.

Normalerweise müsste das Piercen unter Hygienebedingungen erfolgen, die denen des ambulanten Operierens entsprechen. Der Standard beim Tätowieren sollte nicht viel geringer sein. Folgende Maßnahmen sind erkennbare Anzeichen für eine Minderung von Hygieneproblemen:

  • alle an der Haut oder Schleimhaut eingesetzten Geräte und Instrumente wurden sterilisiert
  • Haut- und Schleimhautoberflächen werden vor dem Eingriff desinfiziert
  • beim Eingriff werden konsequent sterile Einmalhandschuhe getragen
  • Ablageflächen werden vor und nach dem Eingriff desinfiziert
  • Abfälle (z. B. Hohlnadeln) werden sachgemäß entsorgt

Nach der Einhaltung solcher grundlegenden Hygieneregeln sollte man sich vorher informieren, ggf. auch den Arbeitsbereich vorab in Augenschein nehmen.

Ein meist deutlicher Hinweis auf einen verantwortungsvollen Piercer ist die ausführliche Beratung des Kunden im Vorfeld, mit allen Informationen über Risiken und Folgen des geplanten Eingriffs. Dazu gehören im Grunde auch Fragen zu stattgefundenen und noch bestehenden Infektionserkrankungen, Allergien und sonstigen Vorerkrankungen, die für den Eingriff relevant sein können. Die Beratung sollte sich auf Infektionsgefahren, Implantatmaterialien, mögliche körperliche Folgen wie chronische Entzündungen, Funktionsstörungen sowie Maßnahmen der Nachsorge erstrecken.

Der Besitzer eines Piercing-Studios muss seine Kunden umfassend auf mögliche Folgen seiner Arbeit hinweisen. Unterlässt er dies und kommt es zu Komplikationen, muss er Schmerzensgeld zahlen, entschied das Amtsgericht Neubrandenburg (AZ: 18 C 160/00).

Die Materialien und Implantate selbst müssen steril und verträglich, dürfen nicht sensibilisierend sein. Häufig werden allergische Erkrankungen der Haut durch das Tragen von Modeschmuck ausgelöst. Es entsteht u.U. eine zunehmende Sensibilisierung gegenüber Nickel, daraus eine Nickelallergie, bis hin zum Nickelekzem. Auch derartige Gefährdungen sind im Vorfeld, vor allem bei der Auswahl der einzusetzenden Schmuckstücke zu berücksichtigen.

Sowohl das Piercing als auch die Tätowierung verlangen bis zur vollständigen Verheilung der Wunden eine strenge Nachsorge und Pflege. Hierzu gehören die fachgerechte Reinigung, Desinfektion und Wundversorgung. Bei Anwendung geeigneter Salben, sind die Wunden kleiner Tätowierungen häufig bereits nach einer Woche vollständig abgeheilt. Beim Piercing dauert der Heilprozess in der Regel sehr viel länger und ist schmerzhafter. Eitrige Entzündungen lassen sich durch regelmäßige Desinfektion des verwendeten Schmuckes und des Stichkanals vermeiden. Doch auch nach dem Abheilen bedürfen diese Stellen ständiger Pflege und Aufmerksamkeit. Bei Komplikationen, die nicht in kürzester Zeit wieder verschwinden, sollte der Gang zum Arzt weder gescheut, noch unnötig lange hinausgezögert werden.

Der Deutschsprachige Arbeitskreis für Krankenhaushygiene hat eine Empfehlung "Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen" verabschiedet (www.hygiene-klinik-praxis.de). Sie enthält Aussagen zur Ausbildung, zur Beratung, zu räumlichen Anforderungen, zur Vorbereitung des Kunden, des Durchführenden, des Eingriffs, zu Notwendigkeiten nach dem Eingriff, zur Desinfektion, zur Sterilisation, zur Kleidung, zur Entsorgung und zum Hygieneplan.

(aus "Sicherheitsforum" 4-2002)